Fortsetzung Geschichte in Geschichten

Am 2.3.1919 hielt Oberkonsistorialrat Sup. Dr. Dr. Franz Költzsch (1861-1927) bei der Ordination seines Sohnes Gustav Friedrich Költzsch(1890-1957) in der St.Andreas Kirche Gesau diese Predigt. Im Mai 2019 meldete sich die Tochter des langjährigen Zwickauer Superintendenten und Ehrenbürgers der Stadt Zwickau Günther Mieth bei mir. Sie hatte im Nachlass ihres Vaters die erwähnte Predigt gefunden. So gelangte der 100 Jahre alte Schreibmaschinendurchschlag dieser Rede wieder nach Gesau. Heute folgt Teil 3 der Ordinationspredigt.

Kirche St. Andreas in Gesau um 1920

Kirche St. Andreas in Gesau um 1920

… Ein zweites Wort? Das ist die Epistel des heutigen Sonntags Estomihi, 1. Korinther 13: Diese Königin unter den Episteln, das hohe Lied der Liebe. Wie es anhebt: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, so wäre ich ein tönend Erz und eine klingende Schelle. Wie es als seine Mitte hat: Die Liebe höret nimmer auf. Wie es schließt: Glaube, Hoffnung, Liebe, aber die Liebe unter ihnen die Größte.

Es ist Dein großes Schriftkapitel schon immer gewesen, mein lieber Fritz. Von zarter Kindheit an war es Deine Überzeugung, die Menschen müssten sich lieben und in Liebe vertragen und verstehen, und in solcher gegenseitiger Liebe würden sie glücklich sein. Dafür hast Du Dich eingesetzt mit Deiner Person, Deinem Leben und Wesen, Deiner ganzen inneren und äußeren Kraft. In Deinem Elternhause – ich darf es einmal aussprechen in diesem feierlichen Augenblick – warst Du der unwandelbar Freundliche, Herzensgute, Hilfsbereite und wir, die Eltern und Dein Bruder, haben uns daran gefreut, wie man sich freut an Sonne und Frühling. Und in der Schule warst Du der Gleiche. Auf der Universität. Draußen im Feld- mit den Freunden und Kameraden jeden Bissen und jede Not teilend. Und wir haben uns gefreut, dass Dir auch durch Spott und Verkennung hindurch immer nur die Herzen zuflogen. Ich weiß es, mit Deinem Wesen wird Dirs auch in aller Zukunft gelingen. Viele haben die Liebe verlernt. Sie sind verbittert. Du lässt dich nicht irre machen. Gerade ein verirrtes Volk braucht doppelte Liebe. Und manche Menschen, die in ihrem Wesen und Treiben uns so unverständlich erscheinen, werden uns dann erst verständlich, wenn wir erfahren, dass sie niemals in ihrem Leben vielleicht wirkliche Liebe erfahren haben. Das Feld war Dir gezeigt, auf dem Du stehen, bauen, arbeiten und kämpfen sollst. Die Estomihi -Epistel reicht Dir das Werkzeug zum Bau, und die Waffe zum Kampf, die Liebe. Lass es Dein Wort heute von neuem wieder werden, das Sieghafte, Große; Glaube, Hoffnung, Liebe, aber die Liebe die Größte.

Fortsetzung folgt …

(aus der Ordinationspredigt für seinen Sohn von Oberkonsistorialrat Sup. Dr. Költzsch)

Christiane Scheurer

1. Teil von „Geschichte in Geschichten“
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5. Teil von „Geschichte in Geschichten“